Aus dem öffentlichen Raum in die Privatspäre

Der Titel “Chez”, in‘s Deutsche mit „bei jemandem zu Hause sein“ übersetzt, deutet auf das Programm dieser Ausstellung hin. In einer Reihe von bereits erfolgreich kuratierten Ausstellungen in verschiedenen Privat-Häusern, Firmen oder anderen ungewöhnlichen Orten, bringt Gildas Coudrais dem Publikum ein Kunst-Konzept nahe, das den Betrachter weg von der sterilen Galerie-Atmosphäre hin zu persönlichen, emotionalen „Vier Wänden“ bringt. Dieser Ansatz hat eine lange Tradition, die in den sogenannten „Salons“ des 19. Jahrhunderts ihren Ursprung hat, da es die Galerie, wie man sie von heute kennt, als Verkaufsmodel noch nicht gab. Wohlhabende, interessierte Mäzene stellten ihre Wohnräume zur Verfügung, um ihre protegierten Künstler einem erlesenen Publikum zu präsentieren, zu diskutieren und: zu verkaufen. Die Kunstsalons, die mehr oder weniger halb öffentlich waren, da sie nur einem bestimmten Publikum geöffnet sind, werden zum Dreh-und Angelpunkte der damaligen Künstler.

Ende des 18. Jahrhunderts/Anfang 1900 entstehen die ersten öffentlichen Galerien[1] in Düsseldorf, Berlin, Paris und London und geben dem Künstler eine öffentliche Plattform. Mit der Etablierung der Galerie vor allem in der Nachkriegszeit verblasst die Kultur des traditionellen Salons und der Künstler ist darauf angewiesen, von einer Galerie gesehen und vertreten zu werden.

In den 80er Jahren erlebt der private Ausstellungsraum mit dem belgischen Kunsthistoriker und Kurator Jan Hoet eine Renaissance. Hoet hat mit seinem „Chambre d’amis“ (Gästezimmer) eine komplett neue Form der Ausstellungsfläche geschaffen, er wird gerne als Urvater und Vorbild derartiger Kunstausstellungen bezeichnet. In 51 mehr oder weniger leergeräumten Wohneinheiten gibt Hoet 51 Künstlern die Chance, sich jeweils individuell für ein groß gefächertes Publikum zu reproduzieren.

Dies stellt den Unterschied in dem hier vorgelegten Kunstkonzept dar. Die Räumlichkeiten, in denen die Kunst von Gildas Coudrais ausgestellt werden, sind weder leergeräumt, noch geht es um eine große Ausstellungsfläche mit demensprechend vielen Besuchern. Vielmehr öffnen Kunstfreunde ihr Haus, ihre Privatsphäre, um dem Künstler eine Fläche zu bieten, der wiederum ein Teil des Hauses bzw. der Inneneinrichtung wird, da er mit dem Vorgegebenen agieren muss. Die Kunsthängung wird fast als Experiment begriffen, indem sie an ihre Grenze trifft, weil sie sich an Vorgaben der bestehenden Wände und des Raumes anpassen muss. Der Künstler wird wieder vor neue Herausforderungen gestellt, die er in einer Galerie in dem Maße nicht ausgesetzt ist. Die Kunst wird in den bereits bestehenden Kontext eingefügt und wird somit dem Zuschauer nähergebracht, ohne Angst vor einem „horror vacuum“, vor der existierenden, in vielen Fällen überladene Fläche, zu haben. Denn nicht jedes Haus ist puristisch wie das eines John Pawsons, in dem der Architekt keine Bilder für seine Wände vorgesehen hat, um die Ruhe nicht zu stören. In solch einem Fall muss das Konzept neu überdacht werden und Möglichkeiten geschaffen werden, die Herausforderung der gegebenen räumlichen Situation zu beherrschen. Doch auch hier schafft Gildas Coudrais, seine Werke kunstvoll und stilistisch gut zu platzieren und einen Dialog zwischen Kunst, Betrachter und räumlichen Gegebenheiten zu finden. Es geht immer wieder um die Einbeziehung des Raumes in die Konzeption der Ausstellung: Format, Stil und Inhalt nehmen andere Formen an, müssen sich in der Konkurrenz der Wohneinheit und des Wohnstils des Raumes behaupten.

Die Frage, warum ein Künstler wieder ins Private zurück möchte, statt sich einem großen Publikum zu präsentieren, bleibt. Es scheint fast eine Gegenbewegung zu der überflutenden, manchmal vielleicht auch übergewerteten Galeriebetriebes zu sein. Das anonyme Publikum wird zum intimen Freund, der Platz des Publikums und der Platz des Künstlers wird neu definiert. Das Publikum wird zum Bewerter der Kunst aus anderer Perspektive

Der Ansatz, in einem Privat-Haus die zu präsentierenden Kunstwerke einzufügen, beschäftigt den Besucher und Betrachter, sich mit der Vorstellung von der Wirkung der Bilder in einer gewohnten Umgebung vertraut zu machen. Die Kunst wird somit real und spürbar, der Betrachter wird in das Installations-Konzept eingebunden. Coudrais‘ Werke greifen in die alltägliche Situation ein und beeinflussen somit die Kommunikation zwischen Betrachter und Kunst. Die ausgestellte Kunst ist kein privilegierter Gegenstand mehr, sondern wird zum Gespräch des Alltäglichen.

Katharina Schulenberg-Leduc

[1] Schon zwischen 1722 und 1788 gab es die sogenannte „Exposition de la Jeunesse“, eine für nur einige Stunden dauernde, öffentliche Ausstellung von Künstler und Künstlerinnen auf der Place Dauphine in Paris an einem bestimmten Tag, der „Fete-Dieu“.


Biographie

Gildas Coudrais

Einzelausstellungen:

2024  Private Art Concept, München, Deutschland

           Gallery BOA, Paris, Frankreich

2023  Private Art Concept, Los Angeles, USA

   Private Art Concept “Chez We Are”, Paris, Frankreich

   Private Art Concept, Hamburg, Deutschland

2022  Galerie da Mihi, Bern, Schweiz

           Galerie Gesellschaft, Berlin, Deutschland

           GainsbArt still alive, La Baule, Frankreich

   Artstadtbern, Bern, Schweiz

2019  Private Art Concept, Santa Monica, USA

   Private Art Concept, in Kooperation mit Sol-la Music Academy, Santa Monica, USA

           Gallery BOA, Paris, Frankreich

2018  Private Art Concept, Hamburg, Deutschland

           Gallery da Mihi, Bern, Schweiz

2017  Private Art Concept, Los Angeles, USA

           Gallery da Mihi, Bern, Schweiz

2016  Gallery Kornfeld, Berlin, Deutschland

2015  Gallery BOA, Paris, Frankreich

           Private Art Concept, Los Angeles, USA

           Gallery da Mihi, Bern, Schweiz

2014  Villa Aurora, Los Angeles, USA

           Gallery da Mihi, Bern, Schweiz

2013  Villa Aurora, Los Angeles, USA

2012  Gallery da Mihi, Bern, Schweiz

2007  Stadtgalerie, Osnabrück, Deutschland

2007  Gallery im Kloster Malgarten, Bramsche, Deutschland

2006  Gallery Schwarz-weiss, Osnabrück, Deutschland

2006  La Charbonniere , Ancenis, Frankreich

2006  Museum Villa Stahmer, Georgsmarienhütte, Deutschland

2002  Centre d’art contemporain “Bouvet-Ladubay”, Saumur, Frankreich

Gruppenausstellungen:

2019  Altstadtbern, Erlacherhof’s Garten, Bern, Schweiz

2018  Abbaye du Ronceray, Angers, Frankreich

          Altstadtbern, Bern, Schweiz 

2016  Gwangju, Art Gwangju:16, Korea

2015  La Grosse Bertha, Paris, Frankreich

2014  Artstadtbern, Bern, Schweiz

2012  Artstadtbern, Bern, Schweiz                   

           Gallery Schwarz-weiss, Osnabrück, Deutschland

2011  Kunsthalle Dominikanerkirche, Osnabrück, Deutschland

2006  Arte regionale IV, Melle, Deutschland


GILDAS COUDRAIS
Der in Berlin lebende französische Künstler Gildas Coudrais kommt der Ästhetik der Pop-Kultur durch seine kräftigen Signalfarben nahe. Seine Kunstwerke erinnern in ihrer Großflächigkeit und durch ihre prominenten Schriftzüge an die überdimensionalen Werbetafeln des Sunset Strips in Los Angeles, bleibt aber der Europäischen Tradition verbunden. Der Künstler experimentiert mit einem breit gefächerten Repertoire, das er entweder wörtlich mit Zitaten aus der Medienwelt kombiniert oder auch in der Kunstgeschichte sucht. Aus dem Kontext genommen, verlieren diese ihren eigentlichen, ursprünglichen Sinn und werden zu einem vielschichtigen, neu interpretierbaren Kunstwerk. Die Identität jedes Einzelstückes wird aus dem Kontext genommen und zu einem Neuen zusammengefügt. Den grellen, fast schreienden Collagen-Serien gegenübergestellt sind die stillen, meditativen Monochrome, die durch ihre Farbigkeit bestechen. Auch hier verwendet Coudrais wieder Zitate, die er verschlüsselt und fast unauffällig in seine Bleistift-Werke einflechtet und den Betrachter in seine Bilder ziehen läßt.

 

www.gildascoudrais.de